Oder: Wann macht es tatsächlich Sinn, KI in Ihrem Unternehmen zu implementieren?

Wir alle haben es schon gesehen: Unternehmen stürzen sich in KI-Projekte, die in Demos beeindruckend aussehen, aber keinen echten Geschäftswert liefern. Die Technologie funktioniert perfekt. Der Business Case nicht.

Kommt Ihnen das bekannt vor?

Unternehmen überall stürzen sich ohne klare Strategie in KI und geben Budgets für Technologie aus, die Probleme löst, die nicht wichtig waren. Das Problem ist nicht die KI selbst, sondern der Mangel an strategischem Denken vor der Implementierung.

Warum KI-First-Denken trügerisch sein kann

Wenn du ein Hammer bist, sieht alles wie ein Nagel aus. Genau das sehe ich heute bei der KI-Adoption. Organisationen sehen den neuesten KI-Durchbruch und fragen sofort: “Wie können wir das nutzen?” anstatt mit “Welche Probleme müssen wir eigentlich lösen?” zu beginnen.

Auch wenn das verständlich ist, da KI für viele Unternehmen noch neu ist, führt dieser Ansatz zu:

  • Lösungen, die nach Problemen suchen
  • Beeindruckenden Demos, die sich nicht in Nutzen für den Alltag übersetzen lassen
  • Projekte, die gut funktionieren, aber dem Ruf eines Unternehmens schaden oder nicht den Datenschutzgesetzen entsprechen (siehe DSG in der Schweiz oder DSGVO in der EU)

Der KI Use Case Canvas

KI Use Case Canvas Der KI Use Case Canvas: Ein strategisches Framework zur Bewertung von KI-Möglichkeiten vor der Implementierung

Um dies zu beheben, habe ich den KI Use Case Canvas entwickelt; ein strategisches Framework, das dabei unterstützt, die geschäftlichen Grundlagen zu hinterfragen, bevor Sie ein Implementierungsprojekt starten.

Stellen Sie es sich als Business Model Canvas vor, der aber speziell für KI-Entscheidungen entwickelt ist.

Der Canvas behandelt 8 kritische Bereiche über drei Schlüsseldimensionen:

  • WARUM? - (Problem + Wert + KPIs)
  • WIE? - (Daten + KI-Ansatz + Implementierung)
  • ZU WELCHEN KOSTEN? - (Komplexität + Risiko)

KI Use Case Dimensionen 8 kritische Bereiche über drei Schlüsseldimensionen

Schauen wir uns jeden Bereich genauer an:

Die WARUM-Dimension: Aufbau des Business Cases

1. Geschäftsproblem

Hier beginnt jede Use-Case-Analyse. Immer.

Schlüsselfragen:

  • Was ist das konkrete Problem?
  • Wer ist betroffen?
  • Wie oft tritt es auf?
  • Was kostet es derzeit (Zeit/Geld)?

Bewerten Sie das Problem (1-5 Skala):

  • Dringlichkeit: 1 = niedrig, 5 = kritisch
  • Häufigkeit: 1 = selten, 5 = täglich

Wenn Sie das Problem nicht klar artikulieren oder es als dringend/häufig bewerten können, hören Sie hier auf. Kein klares Problem weist darauf hin, dass es keinen Bedarf für eine KI-Lösung gibt.

2. Geschäftswert

Was würde sich tatsächlich ändern, wenn Sie dieses Problem lösen würden?

Schlüsselfragen:

  • Welche Verbesserungen sind möglich?
  • Was sind die quantifizierbaren Einsparungen (Zeit/Kosten)?
  • Welche qualitativen Vorteile würden Sie gewinnen?
  • Wer profitiert davon?

Bewerten Sie den Wert (1-5 Skala):

  • Erwarteter ROI: 1 = niedrig, 5 = sehr hoch
  • Strategische Bedeutung: 1 = nice-to-have, 5 = geschäftskritisch

Wenn der potentielle Geschäftswert unklar ist, warum sollten Sie überhaupt anfangen?

3. Erfolgskennzahlen (KPIs)

Wie werden Sie wissen, ob Sie das Problem tatsächlich gelöst haben?

Definieren Sie:

  • 1-3 messbare KPIs
  • Ausgangswerte (aktueller Zustand)
  • Zielwerte nach der Implementierung
  • Messhäufigkeit (täglich/monatlich)

Wenn Sie es nicht messen können, können Sie das Projekt auch nicht richtig steuern.

Die WIE-Dimension: Implementierungsstrategie

4. Datenanforderungen

KI braucht Daten. Gute KI braucht gute Daten. Aber: nicht alle Daten können legal verwendet werden.

Prüfen Sie Ihre Datenbasis:

  • Welche Datenquellen haben Sie verfügbar?
  • Ist die Qualität ausreichend?
  • Gibt es rechtliche Beschränkungen? (DSG / DSGVO)

Datenklassifizierungs-Checkliste:

Hier bewerten Sie, in welche Kategorie die Daten fallen. Je weiter unten Sie das Kästchen ankreuzen, desto mehr Einschränkungen haben Sie bei der Nutzung der Daten.

  • ☐ Öffentlich verfügbar
  • ☐ Intern, nicht personenbezogen
  • ☐ Intern, anonymisiert
  • ☐ Intern, personenbezogen

Nicht alle Daten sind gleich kritisch

5. KI-Ansatz

Wählen Sie Ihren Automatisierungsgrad sorgfältig.

Automatisierungsoptionen:

  • ☐ Autonom (keine menschliche Kontrolle)
  • ☐ Human-in-the-loop (KI schlägt vor, Mensch entscheidet)
  • ☐ Unterstützend (KI unterstützt Entscheidungsfindung lediglich)

Fragen:

  • Was sind die Kompromisse, wenn KI entscheidet?
  • Wie viel Nuancierung ist beteiligt?
  • Wo brauchen Sie menschliche Kontrolle?

Wie schlimm wäre es, wenn die KI komplett falsch liegen würde?

6. Implementierungsansatz

Wie wird Ihre Organisation das Projekt tatsächlich umsetzen?

Fragen:

  • Bauen Sie selbst? Oder kaufen Sie eine fertige Lösung?
  • Wie rollen Sie die Lösung aus?
  • Welche Stakeholder sind beteiligt?
  • Wie schulen Sie die Mitarbeiter?

Rollout-Strategie:

  • ☐ Pilot (kleiner Test)
  • ☐ MVP (Minimum Viable Product)
  • ☐ Vollständiges Rollout

Ressourcenansatz:

  • ☐ Kaufen (externe Lösung)
  • ☐ Bauen (interne Entwicklung)
  • ☐ Partner-Zusammenarbeit

Selbst die beste Lösung scheitert, wenn sie nicht gut ausgerollt wird.

Die KOSTEN-Dimension: Das komplette Bild sehen und verstehen

7. Komplexität

Komplexität bedeutet Zeit, und Zeit bedeutet Geld.

Bewerten Sie auf einer 1-5 Skala:

  • Technische Komplexität: 1 = einfach, 5 = sehr komplex
  • Organisatorische Komplexität: 1 = wenige Stakeholder, 5 = viele Abteilungen
  • Datenkomplexität: 1 = leicht verfügbar, 5 = verstreut

Zu berücksichtigende Faktoren:

  • Integrationsanforderungen
  • Schulungsbedarf
  • Change Management

KI Use Case Canvas - Komplexität Komplexität sollte Faktoren aus allen drei Bereichen der WIE-Dimension abbilden

Warum Komplexität über alle WIE-Dimensionen hinweg wichtig ist:

Machen Sie nicht den Fehler, nur zu bewerten, wie technisch komplex das Projekt ist. Stellen Sie stattdessen sicher, dass Sie bewerten, wie komplex sich alle drei Bereiche in der WIE-Dimension gestalten. Die Datenkomplexität beeinflusst, welche KI-Ansätze machbar sind; der gewählte KI-Ansatz beeinflusst die Implementierungsstrategie, und der Implementierungsansatz bestimmt die organisatorische Komplexität.

Zum Beispiel wird ein technisch einfacher Chatbot komplex, wenn er die Integration von Daten aus fünf verschiedenen Systemen erfordert (Datenkomplexität) und über mehrere Abteilungen mit unterschiedlichen Arbeitsabläufen ausgerollt werden muss (organisatorische Komplexität). Indem Sie Komplexitätsfaktoren aus allen drei WIE-Feldern abbilden, erhalten Sie ein realistisches Bild der Komplexität. Und nicht nur, was Ihnen die Technologie-Demo gezeigt hat.

8. Risiken

Was könnte schiefgehen und wie schlimm wäre es?

Bewerten Sie auf einer 1-5 Skala:

  • Compliance-Risiko: 1 = unkritisch, 5 = regulatorisch relevant
  • Datenschutzrisiko: 1 = keine persönlichen Daten, 5 = sensible Daten
  • Reputationsrisiko: 1 = intern, 5 = öffentlich sichtbar

Zusätzliche Überlegungen:

  • Was passiert, wenn etwas schiefgeht?
  • Haben Sie Backup-Pläne?
  • Wie transparent werden Sie gegenüber Betroffenen sein?

Passen Sie Ihre KPIs an

Ihre KPIs sollten die ganze Realität abbilden. Nicht nur über den gewonnenen Nutzen, sondern auch über die Risiken. Während es verlockend ist, sich nur auf positive Kennzahlen wie Effizienzsteigerungen oder Kosteneinsparungen zu konzentrieren, verfolgen die robustesten KI-Implementierungen beide Seiten der Gleichung.

Zum Beispiel sollten Sie neben der Messung von Antwortzeit-Verbesserungen im Kundenservice auch Genauigkeitsraten, Kundenzufriedenheits-Scores und Eskalationshäufigkeiten überwachen. Dieser duale Ansatz hilft Ihnen, Probleme frühzeitig zu erkennen. Wenn Ihre KI schneller, aber weniger genau wird, oder Kundenfrust verursacht, kriegen Sie das mit, bevor es zu einem grösseren Problem wird.

Die besten KPIs schaffen eine ausgewogene Scorecard, die sicherstellt, dass Ihre KI-Lösung tatsächlich Wert hinzufügt und nicht nur Probleme verschiebt.

KI Use Case Canvas Werte vs Risiken KPIs sollten sowohl den Wert als auch das Risiko messen

Verwendung des Canvas: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung

  1. Arbeiten Sie systematisch jedes Feld durch, beginnend mit der WARUM-Dimension
  2. Bewerten Sie, ob Sie folgendes haben:
    • Einen guten Grund, dies zu verfolgen (WARUM?)
    • Die Mittel, es auszuführen (WIE?)
    • Akzeptable Komplexität und Risiken (ZU WELCHEN KOSTEN?)
  3. Wenn alles gut aussieht, beginnen Sie klein mit einem Pilotprojekt

Der Canvas in Aktion: Ein echtes Beispiel

Schauen wir uns ein echtes Szenario an:

  • Problem: Das Kundendienst-Team verbringt täglich 3 Stunden damit, sich wiederholende Kundenfragen zu beantworten
  • Wert: Das Team könnte 15 Stunden/Woche sparen, die Antwortzeit verbessern und gleichzeitig die Moral steigern
  • KPIs:
    • Durchschnittliche Antwortzeit (Ausgangslage: 2 Stunden, Ziel: 30 Minuten)
    • Mitarbeiter-Zufriedenheits-Score (Ausgangslage: 6/10, Ziel: 7,5/10)
    • Antwortqualität (Ausgangslage: 8% wieder eröffnete Tickets, Ziel: 8%; keine Erhöhung)
  • Daten: 2 Jahre Support-Tickets verfügbar, persönliche Daten aus E-Mail-Headern müssen vor der Verarbeitung bereinigt werden
  • KI-Ansatz: Human-in-the-loop (KI schlägt Antworten vor, Kundendienst-Mitarbeiter genehmigt)
  • Implementierung: Beginnen Sie mit Pilot für ein einzelnes Produkt, bewerten Sie vollständiges Rollout nach 3 Monaten
  • Komplexität: Mittlere technische Komplexität (Datenanonymisierung), niedrige organisatorische Komplexität
  • Risiko: Relativ niedrig in allen Dimensionen

Ergebnis: Klare Go/No-Go-Entscheidung basierend auf strategischem Denken, nicht auf Technologie-Hype.

Nächste Schritte

Bevor Sie Ihre nächste KI-Initiative starten:

  1. Laden Sie den KI Use Case Canvas herunter
  2. Mit Ihrem Team, arbeiten Sie jeden Abschnitt sorgfältig durch
  3. Seien Sie ehrlich bei den Bewertungen. Das funktioniert nur, wenn Sie realistisch sind
  4. Beginnen Sie mit kleinen Schritten, wenn Sie sich entscheiden, fortzufahren. Mit jedem Erfolg wächst die Kompetenz, KI-Projekte sauber und erfolgreich durchzuführen.

Denken Sie daran: Es ist besser, ein kleines Problem vollständig zu lösen, als ein grosses teilweise zu lösen.

Bereit zum Start?

Der Canvas dauert etwa 30 Minuten zum Ausfüllen, kann aber Monate verschwendeter Entwicklungszeit sparen. Am wichtigsten ist, dass er Ihnen hilft, KI-Lösungen zu bauen, die einen tatsächlichen Mehrwert für Ihr Unternehmen leisten.

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